Sergei Wladimirowitsch Surowikin

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Sergei Surowikin (damals Generaloberst), 2018

Sergei Wladimirowitsch Surowikin (russisch Сергей Владимирович Суровикин; * 11. Oktober 1966 in Nowosibirsk) ist ein russischer Armeegeneral. Vom 8. Oktober 2022 bis 11. Januar 2023 war er im Russisch-Ukrainischen Krieg Kommandeur der dortigen russischen Streitkräfte.[1]

Biografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Surowikin schloss nach dem Abitur 1987 die Omsker Militärhochschule M. W. Frunse ab. Danach war er Zugführer eines motorisierten Schützenzuges bzw. Kompaniechef und 1991 als Hauptmann Kommandeur eines motorisierten Schützenbataillons. 1991 war er am kurzlebigen gescheiterten Augustputsch gegen Reformpräsident Michail Gorbatschow beteiligt. Soldaten unter seinem Kommando überfuhren dabei drei Demonstranten mitsamt Straßenbarrikade in Moskau mit Schützenpanzern, wofür er eine sechsmonatige Haftstrafe erhielt und diese im Gefängnis absaß.[1]

Nachdem Gorbatschow zurückgetreten war, wurde Surowikin im Jahr 1992 zum Major befördert.[2]

Im Jahr 1995 wurde er wegen illegalen Waffenhandels zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.[1] Im selben Jahr studierte er an der Frunse-Militärakademie in Moskau und diente danach in Tadschikistan als Kommandeur eines motorisierten Schützenbataillons sowie im Anschluss als Stabschef einer motorisierten Schützendivision.[3] 2002 studierte er an der Militärakademie des Generalstabs.

Von 2002 bis 2004 war er als Oberst und Generalmajor Kommandeur einer motorisierten Schützendivision in Jekaterinburg und dann bis 2005 in Tschetschenien im Zweiten Tschetschenienkrieg. Von 2008 bis Januar 2010 leitete er die Hauptverwaltung Operationen des Generalstabs. Er wurde 2010 zum Generalleutnant befördert.[4] 2012 leitete er eine Arbeitsgruppe des russischen Verteidigungsministeriums. 2013 wurde er Kommandeur des Militärbezirks Ost und Generaloberst. Vom März bis Dezember 2017 war er Kommandeur der russischen Streitkräfte im Bürgerkrieg in Syrien.[5][6][7]

2017 wurde Surowikin zum Oberbefehlshaber der Luft- und Weltraumkräfte der Russischen Föderation ernannt.[8][9][10][11] Von Januar bis April 2019 war er erneut Kommandeur beim russischen Militäreinsatz in Syrien.[12] Dort verantwortete er Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung und die Bombardierung von Städten in Rebellengebieten, etwa in Aleppo.[1][13]

Sergei Surowikin, 2022

2021 wurde er zum Armeegeneral befördert.[14] Beim russischen Überfall auf die Ukraine 2022 befehligte er die Truppengruppierung „Süd“.[15] Am 8. Oktober 2022 wurde er als Nachfolger von Armeegeneral Alexander Dwornikow zum Befehlshaber der gesamten Invasionstruppen ernannt.[16][17] Unter seiner Führung begannen die russischen Streitkräfte ab dem 10. Oktober 2022 mit einer andauernden, beinahe täglichen Bombardierung des ukrainischen Stromnetzes.[18][19] Solche ständigen gezielten Angriffe auf Zivilgebäude gelten als Kriegsverbrechen.[20] Außerdem wurde unter seiner Führung die Surowikin-Linie aus einem Netz an Gräben und „Defensivpositionen“ mit großen Minenfeldern im russisch besetzten südlichen Teil der Ukraine geschaffen, um die ukrainische Gegenoffensive in Cherson zu stoppen.[19]

Am 11. Januar 2023 übertrug Verteidigungsminister Sergei Schoigu die Aufgabe des Kommandeurs der russischen Streitkräfte in der Ukraine an Generalstabschef Waleri Gerassimow und ernannte Surowikin zu einem von dessen Stellvertretern.[21] Im August desselben Jahres wurde vermeldet, dass er als Kommandeur der Luft- und Weltraumkräfte des Amtes enthoben wurde.[22] Nach Angaben von Financial Times und Moscow Times war Surowikin festgenommen geworden.[23] Im September 2023 berichtete die Kommersant über eine Afrikareise Surowikins im Auftrag des russischen Militärs.[24]

Surowikin ist verheiratet und hat vier Kinder.

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Surowikin werden zahlreiche Kriegsverbrechen zur Last gelegt. Neben der Tötung von Demonstranten im Jahr 1991 kommandierte Surowikin nach Angaben von Menschenrechtsgruppen für Verbrechen verantwortliche russische Einheiten im Zweiten Tschetschenienkrieg.[13] Nach Aussagen mehrerer Zeugen seien Soldaten unter Surowikins Kommando im Tschetschenienkrieg in Häuser eingebrochen, wo sie plünderten und Menschen schlugen. Alle Männer wurden gefesselt und mit dem Gesicht nach unten auf den Schulhof gelegt, wo sie sechs Stunden lang im strömenden Regen verprügelt wurden.[1]

Im Mai 2004 erschoss sich Surowikins stellvertretender Rüstungsoffizier, nachdem er von ihm öffentlich kritisiert worden war. Es wurden keine Beweise für die Schuld Surowikins gefunden.[1]

Human Rights Watch erklärte im Jahr 2020, Surowikin gehöre zu den militärischen Führungskräften, die für Menschenrechtsverletzungen in Syrien verantwortlich sein könnten.[1]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut dem Direktor des Center for Naval Analyses (einem Forschungszentrum der US Navy) ist Surowikin für sein Temperament und „als ziemlich rücksichtsloser Befehlshaber“ berüchtigt.[1]

Laut der Rossijskaja Gaseta gelte „Surowikin als harter militärischer Führer, der die Truppen auch in den schwierigsten Situationen erfolgreich führen kann. Das ist ein General des Schlachtfelds, nicht des Parketts.“[1]

Dem regierungskritischen russischsprachigen Internetportal Meduza zufolge ist Surowikin Anhänger massiver Raketenschläge, auch auf zivile Infrastruktur.[1] Der Spiegel schreibt über Surowikin, er gelte „bereits seit Jahrzehnten als skrupellos“ und sei „berüchtigt für Brutalität und Korruption“.[1]

In russischen Medien wird Surowikin als „General Armageddon“ bezeichnet, was teils auch von deutschen Medien übernommen wurde.[25][26]

Auszeichnungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Sergei Surowikin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h i j k Christina Hebel, Fritz Schaap: Putins Feldherr in der Ukraine: Sergej Surowikin, General Armageddon. In: Der Spiegel. 10. Oktober 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 10. Oktober 2022]).
  2. Профессия — служить родине. Abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  3. В Екатеринбурге полковник застрелился на учениях на глазах у командования, не выдержав критики. 22. April 2004, abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  4. Сайт ветеранов 42-й Мотострелковой дивизии – Генерал Суровикин Сергей Владимирович. Профессионал новой формации.. Abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  5. Российский командующий в Сирии рассказал об операции против ИГ*. RIA Novosti, 9. Juni 2017, abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  6. Брифинг НГОУ ГШ ВС РФ генерал-полковника С.Ф. Рудского (09.06.2017) auf YouTube, abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  7. Генерал с сирийским взглядом на ВКС. 21. September 2017, abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  8. Источники сообщили о смене командующего ВКС России. RIA Novosti, 21. September 2017, abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  9. Российской группировке в Сирии нашли нового командующего. Abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  10. Главкомом ВКС назначен Сергей Суровикин. Abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  11. Штандарты в надёжных руках. Abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  12. Командующего ВДВ десантировали в Сирию. 12. April 2019, abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  13. a b Dominic Johnson: „General Armaggedon“. In: taz, 10. Oktober 2022.
  14. Путин присвоил звание генерала армии главкому ВКС РФ Сергею Суровикину. Abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  15. Люди, стрелявшие в наших отцов Группировкой «Юг» в Украине командует генерал Суровикин. В августе 1991 года он был арестован по обвинению в гибели защитников Белого дома в Москве. 26. Juni 2022, abgerufen am 10. Oktober 2022 (russisch).
  16. Sergej Surowikin: Russland tauscht Ukraine-Kommandeur aus. Zeit, 8. Oktober 2022.
  17. Neil MacFarquhar und Cassandra Vinograd: Russia names a new commander for the war in Ukraine. New York Times, 8. Oktober 2022.
  18. Alexander Epp, Ferdinand Kuchlmayr, Klaas Neumann: (S+) Russland bombt die Ukraine in die Dunkelheit - Satellitenbilder zeigen die Zerstörung. In: Der Spiegel. 14. Dezember 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. Dezember 2022]).
  19. a b Oliver Imhof: (S+) Krieg in der Ukraine: Kommt die Winteroffensive? In: Der Spiegel. 16. Dezember 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. Dezember 2022]).
  20. Ukraine: Russian attacks on critical energy infrastructure amount to war crimes - Amnesty International, 20. Oktober 2022
  21. Friedrich Schmidt: Gerassimow wird Kommandeur. Jetzt befehligt der Generalstabschef selbst Russlands Ukraine-Truppen. In: faz.net. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Januar 2023, abgerufen am 30. Juni 2023.
  22. tagesschau.de: Russischer General des Amts enthoben. Abgerufen am 22. August 2023.
  23. Medienberichte: Russischer General Surowikin offenbar festgenommen. Abgerufen am 23. August 2023.
  24. »General Armageddon«: General Sergej Surowikin mit Delegation in Algerien. In: Der Spiegel. 15. September 2023, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 15. September 2023]).
  25. Senior Russian General Knew About Wagner Leader’s Mutiny Plans – NYT. In: themoscowtimes.com. The Moscow Times, 28. Juni 2023, abgerufen am 30. Juni 2023 (englisch).
  26. Lukas Rogalla: Plötzlich verschwunden: Putins „General Armageddon“ nach Wagner-Rebellion angeblich verhaftet. In: fr.de. Frankfurter Rundschau, 29. Juni 2023, abgerufen am 30. Juni 2023.
  27. Путин присвоил звание Героя России генералу Суровикину за успехи в Сирии. (Memento vom 13. Juni 2019 im Internet Archive) znak.com